Gebetswoche für die Einheit der Christen

Gebetswoche für die Einheit der Christen
Gottesdienst am 23.1.19 um 19 Uhr in St. Ambrosius in Memmingerberg – 

Jedes Jahr versammeln sich Christinnen und Christen weltweit zum Gebet um wachsende Einheit. Wir tun dies in einer Welt, in der Konkurrenz, Habgier und Profitsucht zu Ungerechtigkeit und Spaltung führen. Wir beten also in einer vielfach gebrochenen Welt, und dieses Gebet ist bitter notwendig. Allerdings machen wir uns als einzelne Gläubige und als Gemeinschaft oft mitschuldig an Ungerechtigkeit. Das lässt sich leicht nachprüfen mit der simplen Frage: Was wäre, wenn alle so lebten wie wir, wenn alle so viele Ressourcen verbrauchten, so viele Autos hätten, so viel Flugreisen unternähmen, so viel Fleisch essen würden etc. Das geht natürlich nicht. Wir können so leben, weil wir es anderen vorenthalten, weil wir billig für uns arbeiten lassen und andere für uns auf Kosten ihrer Gesundheit und unter Einsatz ihres Lebens die Rohstoffe aus dem Boden ihres Landes holen.

Die Gebetswoche für die Einheit der Christen 2019 wurde von katholischen und evangelischen Christen aus Indonesien vorbereitet. Von den 265 Millionen Menschen dort werden 86 Prozent dem Islam zugerechnet, das Land hat damit die zahlenmäßig größte muslimische Bevölkerung weltweit. 

Etwa zehn Prozent der indonesischen Bevölkerung sind Christen. Indonesien ist sowohl hinsichtlich der Bevölkerungszahl als auch der enormen geographischen Ausdehnung der größte Staat Südostasiens. Es hat über 17.000 Inseln, 1.340 unterschiedliche ethnische Gruppen und mehr als 740 Regionalsprachen und ist in dieser Vielfalt dennoch durch eine gemeinsame Landessprache, Bahasa-Indonesisch, geeint. 

Der Staat hat sich in seiner Verfassung ein Motto, ein Prinzip gegeben. Es heißt: Einheit in Vielfalt. Über alle Unterschiede der Volkszugehörigkeit, Sprache und Religion hinweg soll die Einheit durch Solidarität und Kooperation gefördert werden. Das passt für alle Volkgruppen. Traditionell werden alle Aspekte von Leben und Arbeit, Trauer und Freude miteinander geteilt.

Auch in Indonesien lösen sich alte Traditionen von geteiltem Leid, geteilter Arbeit, geteilter Freude auf. Das Wachstum der indonesischen Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten beruht wie bei uns auf Konkurrenz und Profitstreben. Die modernene Zeiten stehen damit im scharfen Gegensatz zur
Kooperation und zum Teilen aller Aspekte des Lebens. 

Das hat katastrophale Folgen für kleine, am Rande stehende Gemeinschaften und insbesondere die Umwelt. Zu oft tun jene, die für Ausgleich und Gerechtigkeit sorgen sollen und die Schwachen schützen sollen, genau das Gegenteil. In der Folge ist die Kluft zwischen Arm und Reich gigantisch. 

In dem rohstoffreichen Land sind die Menschen mit dem Skandal konfrontiert, dass viele Bürger in Armut leben. Mit einem traditionellen indonesischen Sprichwort gesagt: „In der Scheune voller Reis verhungert die Maus.“ Gleichzeitig wird bestimmten ethnischen und religiösen Gruppen oft besonderer Wohlstand zugeschrieben, was die Spannungen verschärft. Die Tendenz zur Radikalisierung, die eine Gruppe gegen die andere aufbringt, wächst und wird durch den Missbrauch sozialer Medien, in denen bestimmte Gruppen verteufelt werden, noch verschärft.

In diesem Umfeld wurden sich die christlichen Kirchen aufs Neue ihrer Einheit bewusst. Hand in Hand wollen sie sich gegen ungerechte Verhältnisse engagieren. Gleichzeitig rufen die indonesischen Christen sich und uns auf zu prüfen, inwiefern wir selbst mitschuldig werden. 

Nur wenn wir auf Jesu Gebet „alle sollen eins sein“ hören, können wir bezeugen, dass Einheit in Vielfalt möglich ist. Unsere Einheit in Christus ist es, durch die wir in die Lage versetzt werden, gegen Ungerechtigkeit aufzustehen.

Es ist deutlich geworden, warum die indonesischen Christen die Worte aus dem Buch Deuteronomium Gerechtigkeit, Gerechtigkeit – ihr sollst du nachjagen (Dtn 16,20a) als besonders wichtige Botschaft für sich und uns gewählt haben. 

Das Bibelwort steht in einem Kapitel, in dessen Mittelpunkt die Feste stehen, die das Volk Israel feiert. Zu jedem Fest wird das Volk angewiesen: Du sollst an deinem Fest fröhlich sein, du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, die Leviten und die Fremden, Waisen und Witwen, die in deinen Stadtbereichen wohnen. (Dtn 16,14). 

Die indonesischen Christen möchten genau diesen Geist des Feierns wiederbeleben. Früher einte das Feiern eine Volkgruppe, einen Stamm, eine Familie. Jetzt sollen alle Bevölkerungsgruppen einbezogen sein. In Indonesien steht der Zusammenhang zwischen einem Fest und der Gerechtigkeit lebendig vor Augen. Immer wenn ein Streit beigelgt ist, wenn ein Ausgleich hergestellt ist, wenn ein Friede geschlossen wird, dann – und erst dann – wird gefeiert.

Die Kirche Christi sollte einen Vorgeschmack geben auf die Freude im Himmelreich, auf die Freude bei Gott. Wegen unserer Uneinigkeit werden wir diesem Auftrag nicht gerecht. Es gelingt uns oft nicht, Zeichen der Liebe Gottes für unsere Welt zu sein. Angesichts der gepaltenen Welt, leiden wir darunter, dass auch die Christen, die Kirchen und Konfessionen vielfach gespalten und uneins sind. 

Aber wir glauben auch an die Macht Christi, uns zu vergeben und zu heilen. So versammeln wir uns vereint unter dem Kreuz Christi. Wir können ihn bitten um Vergebung und um seine Gnade, damit die Ungerechtigkeit ein Ende hat. Wir können ihn um Kraft bitten, damit wir entschiedener dafür eintreten, dass die Spaltung in Arm und Reich, oben und unten, Ausbeuter und Ausgebeutete beendet wird.